Größter CO2 Emittent in Deutschland ist der Energiesektor, d.h. die Stromproduktion durch fossile Kraftwerke spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des Klimawandels. Insbesondere dann, wenn wir durch Sektorkopplung auch die anderen Bereiche (Verkehr, Heizung, Industrie, ...) mit erneuerbarer Enbergie (Freiheitsenergie) abdecken wollen. Im Mittel werden bei uns heute schon 41% des Strombedarfs durch regenerative Energieerzeugung gedeckt, mehr wäre technologisch durchaus realisierbar. (Interview mit Prof. Volker Quaschning). Eine gute Übersicht bietet auch die Linkliste der Universität Paderborn. Aktuell stehen wir, unabhängig von der Diskussion um russisches Gas, vor dem Problem, dass in sonnen- und windarmen Zeiten vor allem die Kohle- und Gaskraftwerke für die Bedarfsdeckung und damit die Versorgungssicherheit sorgen. Wie läßt sich Angebot und Nachfrage im Strommarkt zur Deckung bringen und dabei der Einsatz von fossilen Brennstoffen möglichst minimal halten?
Das Internet der Dinge als "Soziales Netz der Maschinen", kennt bereits viele Stromverbraucher im Haushalt und deren aktuellen Bedarf. Gleichzeitg kennt das Netz aber auch das aktuelle Angebot der zur Verfügung stehenden Energiequellen. Aufgabe von IoT2 als intelligente Komponente ist der Abgleich von Angebot und Nachfrage unter Optimierung der CO2 - Emissionen (Intelligentes Stromnetz = Smart-Grid). Prognose und Steuerung der Lasten bei gleichzeitigem Vorrang von emissionsarmen Quellen ist ein Schlüssel zum Erfolg, ohne für den häuslichen Verbraucher merkliche Komforteinbußen zu verursachen. Hier kann Modellbildung und künstliche Intelligenz einen entscheidenen Impact zur Bewältigung des Klimawandels leisten. Bei einem Überschuss an regenerativen Energiequellen werden am Strommarkt auch schon einmal negative Strompreise aufgerufen. Dann kann es durchaus sinnvoll sein, sein Gebäude mit Strom statt mit Öl zu heizen. Gibt es einen Mangel an regenerativen Energien, so könnten unwichtige Verbraucher (wie z. B. Klimanlagen) vielleicht kurzfristig vom Netz getrennt werden. Dazu bedarf es einer dezentralen Steuerung, d.h. die Waschmaschine oder der eigene Ölkessel muss unter Klimaschutzgesichtspunkten selbst entscheiden, wie die optimale Betriebsweise aussieht.
Bis aber alle Geräte im Haushalt vom Werk aus im zukünftigen Smart Grid mitspielen können, wird es noch einige Zeit dauern. Die Funktionsbausteine der IoT2-Werkstatt ermöglichen dagegen schon jetzt den sofortigen Retrofit bereits vorhandener Altgeräte. Außerdem bietet unser Ansatz die einmalige Möglichkeit, den individuellen CO2-Fußabdruck unserer elektrischen Verbraucher z.B. abhängig von den aktuellen Wetterbedingungen auch wirklich zu quantifizieren und anzeigen zu lassen. Darüber hinaus können eigene Ideen zur Resilienz, wie z. B. ein Balkonkraftwerk, nahtlos in die individuelle Strategie integriert werden. Die nächsten Abschnitte zeigen, wie das Ganze auch ohne große Investitionen schon jetzt funktioniert.
Unser Artikel im Make-Magazin (4/22) und die Videos liefern einen schnellen Einstieg.
An der Strombörse in Leipzig laufen Angebot und Nachfrage zusammen. Die Bundesnetzagentur bietet mit SMARD einen kostenlosen, quasi in Echtzeit arbeitenden offenen Zugang auf diese Marktdaten. Zusammen mit den Kommunikations- und Vorhersagemöglichkeiten des IoT2 eröffnen sich schon jetzt viele Potentiale zur aktiven Optimierung. Das hier beschriebene Projekt befähigt uns, die SMARD-Informationen quasi in Echtzeit zu nutzen und in eigene innovative Selbstbauprojekte zu integrieren. Über das von uns entwickeltes Modell wird der aktueller Anteil regenerativer Energie am Gesamtstrommix und das emittierte Kohlendioxid in Gramm pro aktuell produzierter Kilowattstunde berechnet. Außerdem werden Vorhersagen für die nächsten Stunden in der IoT-Cloud bereitgestellt. (Details in D. Steinberg, J. Murach, A. Guldner, K.-U. Gollmer (2020): Online energy forecasts for the Internet of Things. Environmental Informatics 2020, page 165ff).
Mittels des Ardublock-Bausteins “SMARD Stromdaten” können die Daten direkt im eigenen Projekt verwendet werden. Es kann dabei zwischen dem Anteil der regenerativen Energien [%] und dem CO2-Ausstoß pro kWh [g/kWh] gewählt werden.
Um den Zeitpunkt zu bestimmen, wann der Strom am "grünsten" ist, müssen wir den maximalen Wert der acht Stunden Vorhersage unseres Modells bestimmen. Dies geschieht über eine Zählschleife und dem Vergelich der jeweiligen Vorhersagen.
Für eine ansprechende Visualisierung der Ergebnisse wird hier eine LED-Matrix verwendet.. Die online-Anzeigen der Vorhersagewerte kann die Abhängigkeit der Stromzusammensetzung von Wetter (Sonne, Wind) und Uhrzeit (Lastprofil) verdeutlichen. Dieses Werkzeug ist beispielsweise in Schulen gut anwendbar, um den Schülerinnen und Schülern das Thema Algorithmen und Nachhaltigkeit auf eine spielerische Art und Weise beizubringen
Im nächsten Schritt wollen wir unseren IoT-Softwaresensor zur automatisierten Steuerung elektrischer Verbraucher einsetzen. Hier bietet der Smart-Home Markt mittlerweile ein breites Spektrum an WLAN fähigen IoT-Steckdosen, durch die sich ein angeschlossenes Gerät fernsteuern lässt. Mit dem Shelly-Plug S nutzen wir ein Produkt, welches selbst wiederum auf der ESP8266-Plattform unseres Octopus basiert. Der Shelly-Plug ermöglicht zwei Betriebsarten: Entweder spannt er selbst ein WLAN auf, in das wir uns per WLAN-Blöckchen einwählen können. In diesem Fall besitzt jeder Shelly eine feste IP-Adresse in seinem eigenen Netz (192.168.33.1). Alternativ wählt sich die intelligente Steckdose in das bestehende WLAN-Netz ein und bekommt von dort eine IP-Adresse zugewiesen (z.B. hier 192.168.179.8). Unter Verwendung des Shelly-Blöckchens und der IP-Adresse können wir den angeschlossenen Verbraucher nun fernsteuern. Ressourcenschonend haben wir unser Altgerät plötzlich in ein modernes Smart-Home-Device gewandelt (Retrofit).
Die elektrische Leistung in Watt gibt die Arbeit an, die pro Sekunde durch den angschlossenen Verbraucher verrichtet wird. Ein Wasserkocher hat etwa 1000 W und damit eine größere Leistung als eine Energiesparlampe mit 10 W. Das ist vor allem wichtig, wenn wir an den Energiebedarf und damit die Betriebskosten oder den CO2-Fußabdruck eines Gerätes denken. Betreiben wir den Wasserkocher eine Stunde lang, so haben wir die elektrische Energie von 1 kWh in Wärme umgesetzt. Die Energiesparlampe könnten wir gleicher Energie dagegen 100 Stunden betreiben. Bei einem Energiepreis von 0.35 €/kWh kostet uns das jeweils 35 Cent. Da unser Shelly-Plug eine eingebaute Stromzählerfunktion (Smart-Meter) besitzt, können wir die Leistung und damit die Energiekosten für den Betrieb des angeschlossenen Verbrauchers einfach ermitteln. Hinweis: Da zur Energieberechnung eine genaue Zeitbasis benötigt wird, muss der Shelly Plug zur Energiemessung über einen Internetzugang bzw. einem Zeitserver verfügen.
Bedenkt man die Klimafolgen des CO2-Fußabdruckes unserer Energieversorgung, so sollten variable Tarife im Smart-Grid diese externalisierten Kosten natürlich berücksichtigen. Leider sind die Energieversorger mit ihrer Infrastruktur noch nicht so weit. Aktuell bezahlen wir für jede kWh beim Energieversorger den gleichen Preis.
Je nach Kraftwerkstyp ergeben sich allerdings dramatisch unterschiedliche Fußabdrücke pro kWh: Ein Braunkohlekraftwerk emittiert ca. 1000 Gramm CO2 pro kWh. Ein Gaskraftwerk liegt bei durchschnittlich 430 g pro kWh deutlich darunter und die erneuerbaren Energien sind fast emissionsfrei (Quelle: V. Quaschning). Mit unserem SMARD-Softwaresensor und dem IoT-Smart-Meter sind wir erstmalig in der Lage, den tatsächlichen CO2-Fußabdruck unseres elektrischen Verbrauchers auch zu wirklich zu quantifizieren. Damit können unsere Retrofit - Geräte deutlich mehr, als alle marktverfügbaren Haushaltsgeräte.
Nachdem wir so viel über Energieverbräuche, Einsparung und Reduktion von CO2 - Emissionen diskutiert haben, ist es an der Zeit, den Eigenbedarf unseres Systems zu analysieren. Alle IKT-Komponenten benötigen selbst Energie zum Betrieb. Das Kosten-/Nutzenverhältnis muss stimmen, andernfalls besteht die Gefahr von Reboundeffekten. Das Negativ-Beispiel Video-Streaming hat gezeigt, dass Vorteile (Dematerialisierung, keine Datenträgerproduktion, kein Transport) häufig durch übermäßigen Konsum mehr als wettgemacht werden. Neben Streaming über das Internet erzeugt auch das Training von KI einen signifikanten CO2-Footprint.
Schauen wir also ins Datenblatt des ESP8266 Mikrocontrollers und ermitteln den Eigenbedarf zum Betrieb des IoT-Octopus: Der theoretische mittlere Strom beträgt 80 mA, in der Praxis kommen noch weitere Verbraucher (Spannungsregler LDO, Neopixel, BME680, USB-Controller) hinzu, so dass wir von ca. 100 mA ausgehen müssen. Bei einer Versorgungsspannung von 3.3 V sind das 330 mW elektrische Leistung, die wir unter Berücksichtigung von Netzteilverlusten großzügig auf 500 mW aufrunden.
Betreiben wir das IoT-Kit also 24 Stunden am Tag, so kommen wir im Jahr auf 0.5 W * 24 h * 365 Tage = 4.4 kWh/Jahr. Bei einem Strompreis von 35 Cent pro kWh sind das Betriebskosten von 1.5 €/Jahr. Legen wir den deutschen Strommix zugrunde (lt. Umweltbundesamt derzeit 474 gCO2/kWh), so entspricht dies einer jährlichen CO2-Emission von rund 2 kg CO2.
Ein Shelly - Plug wird ebenfalls durch einen ESP8266 Mikrocontroller angetrieben, so dass jede fernsteuerbare Steckdose mit weiteren 500 mW Eigenverbrauch zu Buche schlägt. Beim Shelly kommen im eingeschalteten Zustand noch etwa 300 mW für das Schaltrelais hinzu.
Was das für den mobilen Betrieb des Octopus bedeutet, lässt sich auch einfach abschätzen: Mikrozellen (AAA) mit ca. 800 mAh erlauben uns damit eine Betriebsdauer von weniger als 8 Stunden – ein in der praktischen Anwendung eher unbefriedigender Wert.
Wie können wir den Energiebedarf optimieren?
Betrachten wir unsere bisherigen Programme, so stellen wir fest, dass diese die meiste Zeit im Wartemodus (delay) verbringen. Die eigentliche Datenerfassung und die Kommunikation sind dagegen schnell erledigt. So ein Betriebsverhalten ist typisch für Datalogger-Anwendungen.
Schauen wir also, welche Schlafmöglichkeiten der ESP neben dem delay noch bietet: Deep-sleep ist im Datenblatt mit 10 µA angegeben. Selbst wenn sich der Bedarf in der Praxis eher bei 50 µA einpendelt, so bedeutet das eine Batterielebensdauer von (800 mAh/ 50µA = 16.000 Stunden (oder 666 Tage). Je länger unser Kit im deep-sleep verweilt, desto länger hält die Batterie bzw. desto geringer sind die CO2-Emissionen. Leider müssen wir zwischendurch ab und zu zur Messung aufwachen. Je nach Zykluszeit ergibt sich aber trotzdem eine praktische Laufzeit von mehreren Tagen bis Wochen. Unsere Werkzeugkiste besitzt dazu ein entsprechendes Puzzleteil für den Tiefschlaf, bei dem wir sogar einstellen können, ob der Mikrocontroller mit oder ohne aktivem WLAN-Interface aufwachen soll. Das spart nochmals einige Energie – vorausgesetzt, wir benötigen das WLAN gar nicht und funken z.B. über LoRaWAN.Au ch der Shelly - Plug besitzt seit kurzem einen "ECO-Mode", mit dem der Standby-Verbrauch ein wenig reduziert werden kann.
Ein Nachteil des deep-sleep soll nicht verschwiegen werden: Leider wacht unser ESP nach dem deep-sleep systembedingt wie nach einem Reset auf, d.h. alle Variablen haben ihren Inhalt verloren und das Programm startet wieder vom Anfang an. Als Programmierer stellt sich die Herausforderung, trotzdem einen sinnvollen Programmablauf zu realisieren. Das funktioniert nur deshalb, weil es einen kleinen nichtflüchtigen Speicherbereich innerhalb des Uhrenmoduls (RTC, Realtime Clock) gibt, den wir zur Zustandsspeicherung nutzen können. Die Anwendung solcher Tricks sprengt aber den Rahmen unserer grafischen Programmierplattform und bleibt dem C-Programmierer vorbehalten (weitere Info zur Nutzung im Modul Wetterstation).
Jumper – So flexibel wie möglich
Verschiedene Lötbrücken auf dem Kit ermöglichen die flexible Anpassung der Hardware an die eigene Aufgabenstellung. Je nach Anwendung können Neopixel, USB-Brücke oder gar der Spannungsregler deaktiviert werden. Hierzu existieren Lötbrücken, die aufgetrennt bzw. neu verlötet werden müssen (näheres auch im Schaltplan):
Bei mobilem Betrieb mit zwei AAA-Batterien ist ein sehr energieeffizienter Betrieb ohne Spannungsregler (LDO) möglich. Hierzu existieren die Lötbrücken SJ6/SJ11 auf der Vorderseite, mit denen die Versorgungsspannung direkt auf zwei Zellen umgeschaltet werden kann. Der ESP-8266 ist für den Betrieb zwischen 3 V und 3.6 V spezifiziert. Bei kleinerer Spannung (entladene Batterie) kann es zu unvorhergesehenen Betriebsverhalten kommen, weshalb diese Variante hier als „hack“ bezeichnet wird und für Anfänger nicht zu empfehlen ist. Eine weitere Stromsparmöglichkeit bietet die Lötbrücke SJ10 zur Versorgung der USB-Bridge (CP2104). Diese hat auch im Ruhemodus (ohne USB-Verbindung) einen Strombedarf von 100 µA. Ein Durchtrennen der Lötbrücke legt diesen Chip still, verhindert aber auch das Aufspielen neuer Programme per USB-Upload – also erst abschalten, wenn die Software ok ist! Auch die beiden NeoPixel besitzen einen Ruhestrombedarf von ca. 800 µA. Wenn diese Pixel von der Anwendung nicht benötigt werden, kann die Lötbrücke SJ9 durchtrennt werden (sinnvoll z.B. beim Betrieb mit LoRaWAN).
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