Wissenschaft und Praxis wurden hier seit der Gründung des Umwelt-Campus eng miteinander verzahnt und der Technologietransfer somit stark begünstigt. Das gilt auch für das Bau- und Raumprogramm der Campus-Hochschule. Studien zum energiesparenden Bauen, zur Baubiologie, zu den verschiedenen Techniken der Gebäudesanierung sowie das Testen unterschiedlicher Baumaterialien konnten miteinander verbunden werden. Solartechnologie und alternative Formen der Energietechnik werden in situ eingesetzt. Die im Zentralen Neubau enthaltene umweltorientierte Anlagentechnik schöpft nach dem Stand der Technik viele Potenziale der Realisierung ökologischen Bauens aus. Dies gilt insbesondere auch für die innovative Raumlufttechnik, die dort installiert worden ist.
Gebäudetechnik des Zentralen Neubaus
Diese Technikzentrale ist großräumig aufgebaut und beinhaltet folgende Komponenten:
Bei der gesamten Versorgung der Immobilie handelt es sich um „Zero Emission“-Technologien, da keine weiteren Primärenergien für die Versorgung des Gebäudes benötigt werden und die Versorgung CO2 -neutral sichergestellt wird.
Raumlufttechnische Anlagen
Außenluftaufbereitung
Sämtliche raumlufttechnischen Anlagen werden über zwei gemeinsam genutzte Erdwärmeübertrager mit Außenluft versorgt. Diese sind als 55 m lange Stahlbetonrohre mit einem Durchmesser von 1,5 m ausgebildet worden.
Über drei Außenlufttürme wird die Außenluft zu den Erdwärmeübertragern geführt. Ist keine vortemperierte Außenluft gewünscht, können die Erdwärmeübertrager über eine Klappenumschaltung isotherm umgangen werden. Dann wird die Außenluft direkt über einen zweiten Außenluftturm auf kurzem Wege angesaugt.
Direkt nach den Außenluftansaugungen ist eine erste Filterstufe installiert, um die Erdwärmeübertrager und die folgenden Komponenten zu schützen. Vor dem Zuluftkanalnetz ist eine weitere, zweite Filterstufe angeordnet, welche die Zuluftqualität sicherstellt.
Die beiden Erdwärmeübertrager wurden in einer Tiefe von ca. 3,0 m eingebaut und sie haben eine Länge von 55 m. Damit kann im Sommer mit einer Erdtemperatur von ca. 12 bis 14 °C gerechnet werden.
Im Winter liegt die Erdtemperatur bei 8 bis 10 °C. Insgesamt sind die Erdwärmeübertrager für eine Gesamtluftmenge von max. 25.000 m³/h ausgelegt.
Raumlufttechnische Zentralgeräte
Im Folgenden wird stellvertretend für die zentralen raumlufttechnischen Geräte das RLT-Gerät des Auditorium maximum beschrieben. Den schematischen Aufbau der Geräte zeigt für die Zuluft und für die Abluft.
Zentraler Baustein der RLT-Geräte ist eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung auf der Basis eines mehrfachfunktionalen Kreislaufverbund-Systems, das einen Wirkungsgrad von rund 80 % erreicht und damit oberhalb der Klasse H1 nach EN 13053\1\ einzuordnen ist.
Der wesentliche Unterschied dieser WRG liegt in der Integration von regenerativen Energieformen, die direkt mit der Effizienzmaßnahme WRG in Form eines Hybridsystems gekoppelt werden. Neben der primären Funktion der WRG werden dann auch die zusätzlich benötigten Primärenergien in Form von erneuerbaren Energieströmen in WRG-Systeme direkt eingebunden.
Die Vorteile dieser integrierten Technologien, die regenerative Energieströme direkt in die WRG ein- oder auskoppeln, werden am Campus anschaulich und beispielhaft dargestellt:
Integrierte Geothermie
Das geothermisch erzeugbare Kältepotential wird ohne Verwendung von Wärmepumpen direkt unter Ausnutzung des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik in die Wärmerückgewinnung eingespeist. Im Sommer kann Wasser geothermisch mit ca. 15 °C regeneriert werden, das direkt zur Vorkühlung zur Verfügung steht und in die WRG eingespeist werden kann. Bei hoher WRG-Leistung kann das zur Verfügung stehende Potenzial ausreichen, die Lasten ohne weiteren Primärenergieaufwand zu decken.
In der Übergangszeit kann auch solare Wärme in das System eingebunden werden.
Gleichzeitig wird das Regenwasser auch zur indirekten Verdunstungskühlung verwendet werden. Dabei wird ein Teilmassenstrom dem Geothermiesystem entnommen, um als Verdunstungsmenge verwendet zu werden.
Beispiel Kältemaschinenabwärme und Wärmepumpenbetrieb
Die Abwärme einer Kältemaschine (Wärmepumpe) wird energetisch vorteilhaft in den Wärmeübertrager des Fortluftstroms abgegeben. Hierzu wird die Kältemaschinenabwärme in das WRG-System eingespeist. Gleichzeitig wird Kälte in das System auf der Zuluftseite zur Kühlung eingespeist.
Damit kann auch die Einbindung als Wärmepumpe realisiert werden, die im Winter die Nacherwärmung durch die Restwärmenutzung des Fortluftstroms sicherstellt.
Als energiesparende Ventilatortechnik werden freilaufende, direktgetriebene Ventilatoren mit rückwärts gekrümmten Schaufeln eingesetzt, die über Frequenzumrichter stufenlos drehzahlgeregelt betrieben werden können. Die Leistungsaufnahme der Ventilatoren liegt bei durchschnittlich 1,2 KW bei einem Volumenstrom von 9.800 m³/h. Dies entspricht einem SFP-Wert (Specific Fan Power) von 440 W/(m³/s) und damit der besten Klasse SFP 1 nach EN 13779\2\ . Dies ist ein extrem niedriger Wert, obwohl pro RLT-Gerät zusätzlich vier Schalldämpfer angeordnet sind. Zusätzlich werden die RLT-Geräte bedarfsgerecht über eine CO2-Messung und eine Druckregelung im Raum betrieben.
Das RLT-Gerät versorgt insgesamt vier Zonen für die einzelnen Bereiche des Auditorium maximum. In den Zonen erfolgt über nachgeschaltete Lufterwärmer und -Kühler mit Entfeuchtungsmöglichkeit die Zonentemperierung. Eine Luftbefeuchtung erfolgt nicht.
Fortluftmassivabsorber
Auch die Restwärme der Fortluft wird trotz Wärmerückgewinnung nicht ungenutzt aus dem Gebäude transportiert. Der gemauerte Fortluftkanal (1,65 m x 1,65 m mit 25 cm Wandstärke) ist mit einer Vielzahl von mittig einbetonierten Kunststoffverbundrohren (20 mm) mit einem Abstand von 15 cm durchzogen, durch die ein Glykolgemisch als Wärmeträgermedium strömt. Damit wird über eine Kompressionswärmepumpe die noch vorhandene Energie dem Fortluftstrom und dem Betonkern entzogen, auf ein hohes thermisches Niveau gepumpt und direkt den RLT-Geräten zugeführt.
Wird dort die Energie nicht benötigt, kann über Umschaltventile die Wärme ins Erdreich um die Erdwärmeübertrager zugeführt werden. Damit wird das Erdreich thermisch regeneriert. Im Winter beträgt die thermische Leistung der Wärmepumpe rund 14 KW. Im Sommer kann die Wärmepumpe umgeschaltet werden, um als Kältemaschine mit einer Leistung von ca. 11 KW betrieben zu werden. Die elektrische Anschlußleistung der Wärmpepumpe beträgt 4,5 KW.
Adsorptionskälteanlage
Zur Kälteversorgung des Campusgebäudes wurde eine Adsorptionskälteanlage mit einer Leistung von max. 150 KW installiert. Die Kältemaschine arbeitet mit Silikagel (SiO2) als Sorptionsmittel und umweltfreundlich mit Wasser als Kältemittel. Die mittlere Kälteleistung beträgt im Jahresdurchschnitt etwa 40 KW.
Die erzeugte Kälte in Form von Kaltwasser mit 5 bis 12 °C wird wesentlich für die Bauteilaktivierung zur statischen Kühlung des Baukörpers (Betonkernaktivierung) verwendet. Zusätzlich werden aber auch die Kaltwasserkühler der zentralen RLT-Geräte von der Kältemaschine versorgt.
Die Abwärme zum Betrieb der Adsorptionskälteanlage wird über die installierte Solarthermie-Anlage auf dem Dach mit 270 m² und maximal 135 KW Kollektorleistung des Zentralen Neubaus erzeugt und in einen Wärmespeicher eingespeist, der jahreszeitbedingt die Wärme verschiedenen Verbrauchern zuführen kann.
Reicht die solar erzeugte Wärme nicht vollständig aus, den Bedarf der Kälteanlage zu decken, kann über Fernwärme aus einem benachbarten Biokraftwerk, das Holzabfälle verfeuert, der Wärmebedarf vollständig CO2-neutral gedeckt werden. Hier werden in vorbildhafter Weise zur Wärme- und Stromversorgung ausschließlich regenerative Brennstoffe wie naturbelassenes Altholz und Waldrestholz verwendet.
Die Rückkühlung der Kältemaschine erfolgt konventionell über einen Kühlturm, der mit Regenwasser aus einer 40 m³ fassenden Regenwasserzisterne betrieben wird.
Einbindung in die Lehre
Die aufgezeigte Technik dient nicht nur der Versorgung des Zentralen Neubaus, sondern wird auch für studentische Zwecke im Rahmen eines Technikums in der Lehre genutzt. Prinzipiell werden alle Techniken, die am Umweltcampus eingesetzt werden, auch als Demonstrationsprojekte genutzt. So sind auf dem gesamten Campus interaktive Demonstrationstafeln mit den aktuellen Werten der eingesetzten Energiesysteme öffentlich aufgestellt.
Im Wahlpflichtfach Innovative Raumlufttechnik werden den angehenden Bachelor-Studierenden des Physikingenieurwesens und des Wirtschaftsingenieurwesens die Grundlagen der energieeffizienten Raumlufttechnik und der Wärmerückgewinnung vermittelt.
Mit dem Wintersemester 2009 begann der neue und reakkreditierte Master-Studiengang (M. Sc.) der umweltorientierten Energietechnik mit der energieeffizienten Raumlufttechnik als Vertiefungsrichtung und Schwerpunktthema. Dort werden die Themen der Energieeffizienz und der Abwärmenutzung mittels Wärmerückgewinnung in der Raumlufttechnik vertieft. Insbesondere im Studium der Energietechnik soll damit eine klare Spezialisierung mit dem Schwerpunkt Energieeffizienz und rationelle Energieverwendung geschaffen werden.
Hierbei konnte das Technikum vorbildlich in die Lehre eingebunden werden. Zum Beispiel wurden die RLT-Geräte mit einer Vielzahl von Messöffnungen versehen, um verschiedene Leistungsmessungen verwirklichen zu können. Des Weiteren wurden die Geräte mit Ringleitungen vor und hinter allen wichtigen Komponenten ausgestattet, um auch Druckmessungen präzise durchführen zu können.
Für Langzeituntersuchungen verfügt die auch für das Technikum genutzte Technikzentrale über einen direkten und vollen Zugang zur Gebäudeleittechnik (GLT) mit der Möglichkeit, Archivdaten für Langzeituntersuchungen zu nutzen.
Fazit und Ausblick
Die 2001 fertiggestellte und in Betrieb genommene Gebäudetechnik am Umwelt-Campus Birkenfeld hat sich in den letzten Jahren bewährt.
Es wird offensichtlich, dass mit hocheffizienter Technik eine „Zero Emission“-Konzeption möglich ist und dass RLT-Anlagen auch CO2-neutral aufgebaut werden können. Eine solargestützte Klimatisierung auf Basis von Hochleistungs-Wärmerückgewinnungssystemen in Kombination mit Geothermie ist möglich und wirtschaftlich sinnvoll.
Ein Forschungsschwerpunkt am Umweltcampus liegt auf der weiteren regenerativen Nutzung von Energieformen, integriert mit der Effizienzmaßnahmen der Wärmerückgewinnung. Eine Schlüsselrolle werden dabei die Themen Geothermie und thermische Regenwassernutzung spielen.
Dass hier die Ergebnisse einer vorhandenen technischen Ausstattung unter Praxisbedingungen in die Lehre und das Technikum einfließen können, ist gerade an einer Fachhochschule sinnvoll und nutzbringend. Auch dies ist ein Modell für die Zukunft.
Weitere Informationen auf der persönlichen Seite von Prof. Dr.-Ing. Christoph Kaup.
[1] DIN EN 13053: Lüftung von Gebäuden - Zentrale raumlufttechnische Geräte - Leistungskenndaten für Geräte, Komponenten und Baueinheiten; Deutsche Fassung EN 13053:2012-2
[2] DIN EN 13779: Lüftung von Nichtwohngebäuden - Allgemeine Grundlagen und Anforderungen für Lüftungs- und Klimaanlagen und Raumkühlsysteme:2007-9
Gebäude: Zentraler Neubau
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