Im Zusammenhang mit der Nutzung der leistungsgesteigerten indirekten Verdunstungskühlung und der neu entwickelten Wärmeübertageranordnung kann auf eine mechanische Kühlung vollständig verzichtet werden. Überdies kann durch die Leistungssteigerung in den meisten Betriebsfällen die Luftmenge aufgrund der niedrigen Zulufttempreratur reduziert werden.
Die Wirtschaftlichkeit der Rechenzentrumskühlung wird dadurch deutlich erhöht und die etwas höheren Investitionskosten des Raumlufttechnischen Gerätes werden dadurch mehr als kompensiert. Mit diesem System werden nur noch 20 % der ursprünglichen Energiemenge benötigt.
Bedarf an Kühlung
Rechenzentren benötigen auch heute trotz einer geringeren spezifischen Verlustleistung der Informationstechnik immer noch große Rückkühlleistungen, da auf geringerem Raum eine immer höhere spezifische Rechnerleistung bis 1,2 KW/m² installiert wird. Moderne und große Rechenzentren benötigen daher Kühlleistungen von über 1 MW. Dabei ist der kostenbestimmende Faktor die meist elektrisch erzeugte Kälteerzeugung, die 24 h pro Tag zu erbringen ist.
Freie Kühlung durch Außenluft
Grundsätzlich kann jedoch die Außenluft als Wärmesenke zur Kühlung herangezogen werden, da die Außenluft im Jahresverlauf meistens kälter als beispielsweise 23 °C ist und in nur ca. 600 Stunden pro Jahr eine Kühlung bei Außenlufttemperaturen über 23 °C erforderlich wird. Es besteht im Prinzip entweder die Möglichkeit, die Außenluft ohne Umwege zu verwenden, also das Rechenzentrum direkt mit Außenluft zu belüften und damit zu kühlen, oder aber die Außenluft über einen Wärmeübertrager zu entkoppelt, also indirekt zur Kühlung zu nutzen. Die direkte Kühlung eines Rechenzentrums mit Außenluft ist von verschiedenen Bedingungen abhängig. Gelangt sie direkt in das Rechenzentrum, ist ihre Qualität für die Rechnertechnik von großer Bedeutung. Liegt standortbedingt belastete Außenluft vor, wird grundsätzlich von einer direkten Nutzung abgeraten. Dies trifft nahezu in alle Fällen der zu hohen oder zu niedrigen Feuchte der Außenluft zu, da die Feuchte im Jahres- und im Tagesverlauf stark schwankt.
Die direkte freie Kühlung hat den großen Vorteil, dass der Wärmewiderstand und der Druckabfall eines sonst notwendigen Wärmeübertragers nicht berücksichtigt werden muss. Sie hat aber auch den Nachteil, dass die Zuluft im Winter befeuchtet und im Sommer entfeuchtet werden muss, weil die Außenluftfeuchte im Jahresverlauf stark variiert.
In der Praxis werden häufig Grenzwerte für die absolute Feuchte der Zuluft von 4 bis 6 g/kg im Winter als unterer Grenzwert und 10 bis 12 g/kg im Sommer als oberer Grenzwert akzeptiert. Die Zuluft darf nicht zu trocken werden, da ansonsten elektrostatische Ladungseffekte zum Problem der IT-Systeme werden können, sie darf aber auch nicht zu feucht werden, da dann ebenfalls Probleme beispielsweise durch lokale Kondensation an den IT-Systemen entstehen können.
In den meisten Gebieten in Deutschland kann im Bereich zwischen 18 und 23 °C sowie zwischen 4 und 10 g/kg die Außenluft ohne eine Luftbehandlungsfunktion in ca. 600 h/a direkt verwendet werden (Tabelle 1 grüner Bereich).
Unterhalb einer Außenlufttemperatur von 18 °C und einer absoluten Feuchte unter 4 g/kg wird in fast 1.600 h/a durch Nutzung der indirekten freien Kühlung und ohne zusätzliche thermodynamische Luftaufbereitung die geforderte Zulufttemperatur erreicht (siehe Tabelle 1 türkiser Bereich).
Tabelle 1 veranschaulicht am Beispiel von Bremerhaven die spezifischen Außenluftkonditionen während eines Jahres und deren Summenhäufigkeiten in 1/10 Stunden[2].
Unterhalb von 18 °C und über 4 g/kg kann in mehr als 6.000 h/a die minimale Zulufttemperatur durch einfaches Mischen von Außenluft mit Abluft energetisch effizient gewährleistet werden, da keine Luftbehandlungsfunktionen erforderlich sind (Tabelle 1 beiger Bereich
Im Bereich über 23 °C Außenluft und bis zu einer Außenluftfeuchte von 10 g/kg kann durch trockene, sensible Kühlung die geforderte Zulufttemperatur in ca. 120 h/a sichergestellt werden (Tabelle 1 violetter Bereich). Die notwendige Kühlung wird dann durch ein Rückkühlwerk (RKW) auf Basis eines Wärmeübertragers mit indirekter Verdunstungskühlung bereitgestellt.
Durch die Verwendung eines Rückkühlwerkes, das mit Außenluft betrieben wird, wird die Temperatur nach dem Rückkühlwerk je nach Außen- und Abluftluftkondition auf ca. 18 bis 24 °C reduziert, ohne dass eine zusätzliche Kältemaschine benötigt wird.
Wenn die Summenhäufigkeiten der einzelnen Betriebszustände (siehe Tabelle 1) addiert werden, so ergibt sich für die direkte freie Kühlung (violetter, grüner und beiger Bereich) eine Summenhäufigkeit von rund 4.200 h, also 48 % der Jahresnutzungszeit, während 4.562 h, also 52 % auf die indirekte Nutzung der Außenluft fallen (türkiser und blauer Bereich bei beispielsweise 4 g und 10 g als Feuchtegrenzwerte).
Leistungssteigerung der indirekten Verdunstungskühlung
Um auf eine Kältemaschine verzichten zu können, ist eine Optimierung der Leistungsdaten (RKW und Verdunstungskühlung) zwingend erforderlich. Hierzu sind Wärmeübertrager notwendig, die trockene Temperaturübertragungsgrade von mehr als 75 % erfordern. Gleichzeitig ist der Platzbedarf von benötigten und entsprechend großen Wärmeübertragern enorm und daher schwer zu realisieren. Bild 1 und 2 zeigen eine neuartige und platzsparende Lösungsmöglichkeit auf, bei der ein Plattenwärmeübertrager im Kreuz-Gegenstrom am Ende des Gerätes eingesetzt wird. In diesem Fall wird der Wärmeübertrager gleichzeitig als Umlenkkammer für die beiden Luftströme verwendet.
Mittels der vor dem Wärmeübertrager integrierten Umlenk- und Mischkammer (System CrossXflow by HOWATHERM) können die Lüftströme innerhalb des RLT-Gerätes zwischen den beiden Strängen effizient umgeschaltet werden (siehe Bild 3 und 4). Hierdurch wird die Abluft mit der Zuluft zu einem Umluftsystem verbunden. Die Außenluft dient nun zum Betrieb des RKW, das mit oder ohne Verdunstungskühlung betrieben werden kann. Wird der Wärmeübertrager nicht benötigt, kann der Plattenwärmeübertrager durch integrierte Bypassklappen umgangen werden.
Neben dem trockenen Temperaturübertragungsgrad des Wärmeübertragers spielt die Verdunstungskühlung eine weitere und entscheidende Rolle. Neben der bekannten einstufigen Befeuchtung wurde zur Steigerung des Befeuchtungsgrades eine zweite Befeuchterstufe eingesetzt, womit ein Befeuchtungsgrad von 1 erreicht wird. Der Wärmeübertrager wird dann als Hybridsystem verwendet. Dabei wird der Wärmeübertrager sowohl als Wärme- als auch als Stoffübertrager eingesetzt. Die indirekte Befeuchtung erfolgt somit nicht nur vor dem Wärmeübertrager, sondern auch direkt im Wärmeübertrager. Eine weitere Leistungssteigerung kann nur durch die Steigerung des Befeuchtungsgrades erfolgen. Hierzu wurde der Wärmeübertrager so weiterentwickelt, dass eine besonders große Hydrophilie der Oberfläche erreicht wurde.
Durch den damit verbundenen größeren Nachverdunstungseffekt des Befeuchtungswassers wird ein Befeuchtungsgrad erreicht, der bei üblichen Betriebsbedingungen einem Befeuchtungsgrad von 1,35 äquivalent ist. Durch das besondere Verfahren kann der Befeuchtungsgrad sogar zwischen 80 bis 135 % stufenlos geregelt werden.
Mit dieser Entwicklung wird selbst bei 32 °C und 40 % Außenluftkondition und 35°C und 30 % Abluftkondition eine Zulufttemperatur von 19 °C erreicht. Dies wurde durch Validierungsmessungen durch die DEKRA bestätigt. Letztlich wird erst damit eine zusätzliche Kälteerzeug obsolet.
Weiterhin kann durch die sehr niedrige und einfach ereichbare Zulufttemperatur die Luftmenge des Kühlsystems gesenkt werden, da die Kühlleistung proportional dem Produkt aus Temperaturdifferenz der Kühlung mit der Luftmenge steigt. Ein konventionelles System, das von 32 °C auf 24 °C kühlt, hat mit einer Temperaturdifferenz von 8 K ein um 38 % niedrigeres Potenzial als eine leistungsgesteigerte Verdunstungskühlung mit einer Temperaturdifferenz von 13 K (+ 62 %) . Mit der Leistungssteigerung kann daher die Luftmenge in diesen Betriebsfällen analog um 38 % reduziert werden.
Der Prototyp des Systems wird auf der future thinking 2016 aus- und vorgestellt.
[1] Freie Kühlung von Rechenzentren mit zentralen Raumlufttechnischen Geräten, HLH 10/2015
[2] VDI 4710 Blatt 3 Meteorologische Grundlagen für die Technische Gebäudeausrüstung - t,x-Korrelationen der Jahre 1991 bis 2005 für 15 Klimazonen in Deutschland, 03-2011
Kontakt
Maria Swiderek, B .Eng. (im Rahmen der Masterthesis)
Prof. Dr.-Ing. Christoph Kaup
Sie verlassen die offizielle Website der Hochschule Trier