Sehr gut besucht war der Vortrag des Bundesgeschäftsführers der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), Jürgen Resch, am vergangenen Dienstag. Nicht einmal die gut 400 Sitzplätze des größten Hörsaals am Campus reichten aus, um alle Zuhörer aufzunehmen.
Mit hoher Aufmerksamkeit verfolgten die Studierenden, Mitarbeiter und zahlreich angereisten Interessierten dem gut einstündigen Vortrag. Resch berichtete über seine Arbeit, die Widrigkeiten, mit denen ein Umweltverband zu kämpfen hat und natürlich ausführlich über die Dieselaffäre.
Eröffnet wurde die Veranstaltung mit ein paar Grußworten von Professor Klaus Rick, Lehrgebiet Nachhaltige Unternehmensführung. Beide kennen sich langjährig aus Unternehmens- und Hochschulkooperationen im Rahmen von Naturschutz- und Gewässerschutzprojekten, lernten sich am Baikalsee auf einer Konferenz näher kennen. Weitere Kooperationen u.a. in Johannesburg („Rio plus 10“), in Manila und Curitiba folgten. Der Kontakt mit dem Umwelt-Campus besteht schon sehr lange.
Der Vortragstitel lautete: „Autorepublik Deutschland – Wer regiert das Land?“ Bereits seit vielen Jahren kämpft die nach eigenem Bekunden politisch unabhängige Nichtregierungsorganisation für Umwelt- und Verbraucherschutz: Natur, Energie, Klima, Verkehr, Recycling und Saubere Luft sind Schwerpunkte ihrer Arbeit. 1985 stieg Resch bei der Umwelthilfe, der er nun vorsteht, ein, Diese war bereits etwa 10 Jahre zuvor gegründet worden. Von Radolfzell am Bodensee und Berlin aus werden die Aktivitäten mit derzeit etwa 70 Mitarbeitern koordiniert.
Die Stickoxidemissionen, vor allem von Dieselfahrzeugen jüngerer Generation verursacht, sind in vielen Innenstädten nach Aussage Reschs inzwischen so eklatant oberhalb von den europaweit erlaubten Grenzwerten, dass man handeln musste. Vor allem als unabhängige Messungen ergaben, dass die Immissions-Messwerte trotz der stetig strengeren Normen seltsamerweise immer schlechter wurden, das Gegenteil war erwartet worden. Dies weckte den Verdacht, dass Abgaswerte von Neufahrzeugen nicht stimmen und manipuliert würden - und falsche Angaben Kunden in die Irre führten. Das Vorlegen dieser Ergebnisse und das Einwirken auf kommunale und bundesweite Spitzen brachte aber weder gebührende Aufmerksamkeit noch Erfolg, denn am Thema ‚Sauberer Diesel’ arbeitet die DUH schon seit 2002. Resch und sein Team bekämpfen diesen Missstand also mit langem Atem.
Erst durch die medienbegleitete Klagewelle in deutschen Städten, mit der die DUH seit 2017 von einem Gerichtserfolg zum nächsten eilt, erhielt das Thema ‚Recht auf saubere Atemluft’ Gehör. Vor allem bei Kindern, kranken und alten Menschen rufen die hohen Abgasemissionen nach Aussagen von Pneumologen Lungenkrankheiten hervor - das ist unbestritten. Vor allem die lange Untätigkeit des Kraftfahrtbundesamtes, des Bundesverkehrsministeriums und mancher Kommunen machen ihn „sprachlos“. Alle diese Vertreter haben eigentlich die Aufgabe, zum Wohle der Bürger zu handeln. Resch sieht aber sehr enge Verflechtungen zwischen Automobilherstellern und qua ‚hörigen’ Regierungsstellen und Behörden, die nicht gegen die großen Konzerne vorzugehen bereit sind und nach jedem Dieselgipfel wie ein Bittsteller dastehen statt als Regulierer Missstände abzustellen.
Unabhängige Messungen im Auftrag der DUH, vorgenommen durch staatliche Schweizer Prüfbehörden, förderten so auch die hohen und illegalen Emissionen als Folge von unerlaubten Abschalteinrichtungen zu Tage. Die gern angegebenen harmloseren Abgaswerte produzieren die manipulierten Dieselfahrzeuge, wie sich herausstellte, nur auf Prüfständen, weil sie dann den Prüfzyklus als solchen erkannten und sich vorübergehend nur für diese Messungen anpassten. Im Wirkbetrieb auf den Straßen, vor allem bei kühler Witterung, wurde und wird bis heute dann sehr häufig die Abgasreinigung entgegen den Erfordernissen abgeschaltet. Allein Volkswagen hat für dieses betrügerische Vorgehen in dem USA bis dato über 22 Mrd. Euro an Folge- und Strafzahlungen leisten müssen. Auch Audi und Mercedes stehen stark in der Kritik. Der ehemalige Audi-Vorstand Stadler saß u.a. deswegen kürzlich sogar zeitweise in Untersuchungshaft.
In Deutschland passierte fast nichts. Es sind sowohl die Bundesregierung als auch zuständige Behörden mit dem klaren Betrug nach Resch Worten bislang allzu sanftmütig umgegangen, und das sehr zum Missfallen vieler Bürger. Trotz mancher „Dieselgipfel“ in den letzten Monaten fühlen sich viele Autokäufer hilflos und allein gelassen gegenüber einer machtvollen Lobby aus Autoherstellern, Verbänden und ‚entgegenkommenden’ Regierungsvertretern, die bis heute keine angemessenen Aktivitäten, Strafen und Wiedergutmachungen für die betrogenen Autokäufer und für bessere Luft in Städten beschlossen haben. Im Gegenteil, sie machen mobil gegen die Umwelthilfe und stellen diese als Fortschrittsbremse und Spielverderber gegenüber vielen Dieselfahrern dar. Die oben genannten gesundheitsschädlichen Effekte als Folge der teils dramatisch überhöhten Stickoxide und Rußpartikelmengen in den Dieselabgasen werden hingegen verharmlost. Jürgen Resch, der damit auch den Vorständen der Autohersteller, z.B. Dieter Zetsche von Daimler, die Stirn bietet, verlangt mehr Verbraucherschutz - und schlicht die Einhaltung der EU-Immissionswerte. Diese sind übrigens in der benachbarten Schweiz um ein Viertel oder etwa in Dänemark teilweise schon seit Jahrzehnten deutlich strenger - und werden dort auch eingehalten. Resch will Hardware-Nachrüstungen zulasten der Hersteller und nicht der Autokäufer herbeiführen.
Seine Aussagen werden entsprechend von Juristen der Autolobby auf Schritt und Tritt verfolgt. Vor allem die Rechtsbrüche, die große Kommunen sehenden Auges begehen, befremden Resch. Wenn es dann einmal auf eine Klage hin zu einer Ordnungswidrigkeit wegen Fehlverhaltens kommt, zahlt die Kommune die Strafzahlung -für ihr eigenes Fehlverhalten- an sich selbst, für Resch ein Skandal. Hier müsse ein viel spürbarerer Vollzug der Rechtsprechung erfolgen, denn bisher blieben massive und langjährige Überschreitungen von EU-Grenzwerten für die Kommunen so praktisch folgenlos. Mit den Urteilen hat sich das nun geändert.
Einen weiteren Aspekt sieht Resch in der Tatsache, dass die als Durchbruch für die Verbraucher gefeierten Sammelklagen wegen Betrugs gegen Volkswagen auf mindestens fünf Jahre bis zum Urteil angelegt sind, es könnte gar noch länger dauern. Im Ergebnis stünde dann nur die Verfehlung seitens der Hersteller fest. Die Schadenersatzhöhe müsse danach individuell abermals eingeklagt werden, weitere ca. drei Jahre könne das dauern. So ließe man die Geprellten ‚am langen Ast verhungern’. Er prognostizierte, dass es auch hier das Ergebnis der Lobbyisten sei, auf Zeit zu spielen und viele Geschädigte alleine zu lassen. Man hätte die Sammelklagen deutlich verbrauchernaher gestalten können.
An der gedeihlichen Weiterentwicklung des Umwelt-Campus zeigte sich Resch überaus interessiert. Zusammen mit den Professoren Rick, dem Dekan Klaus Helling und dem geschäftsführenden Direktor des Institutes für angewandtes Stoffstrommanagement IfaS, Peter Heck, wurden im Anschluss an die Veranstaltung bei einem Campus-Walk ausführlich Kooperationsfelder ausgelotet, die u.a. im Bereich des von Rick neuen angedachten Studiengangs NGO- und Non-Profit-Management liegen sollen. Doch dazu sind „noch andere Weichen innerhalb der Hochschule zu stellen“, so die Runde. Durch kürzlich weiter geführte Hintergrundgespräche, u.a. mit der Bodenseestiftung und dem Global Nature Fund wird dieser neu geplante Studiengang von dortigen Führungskräften ebenfalls sehr positiv gesehen und Unterstützung zugesichert, auch mit Blick auf den Nationalpark.
Abschließend ist festzuhalten, dass es aus Sicht der Hochschule eine essentielle Lernperspektive darstellt, dass Studierende neben den anderen nachhaltigkeitsnahen Lernmodulen auch den Blickwinkel bisweilen umstrittener Umweltschützer in solchen Veranstaltungen am Campus reflektieren. Um so mehr freut sich Rick, dass das Ganze trotz des vollen Terminkalenders Reschs, der zwischen den Geschäftsstellen Berlin und Radolfzell pendelt, zustande kam und so viele Interessierte vorbeischauten.
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