Vor fast einem Jahr wurde der Lebensraum und die Existenzgrundlage vieler Bürgerinnen und Bürger in der Vulkaneifel in Folge eines Unwetters und des dadurch ausgelösten Hochwassers nachhaltig beschädigt oder zerstört. Das wirkt immer noch nach: Bei jedem starken Regen mit Unwetter sind die Menschen im Alarmzustand, schlimme Erinnerungen kommen in ihnen hoch. In der Beratung der DRK-Hochwasserhilfe berichteten die Menschen immer wieder: „Ich höre den Regen ganz anders als früher, viel lauter, ich habe Angst“.
Wissenschaftliche Studien warnen
Die Studie der World Weather Attribution (WWA) zum Starkregen in Westeuropa im Juli 2021 kommt zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit für solche extremen Regenfälle sich durch den bisherigen menschengemachten Temperaturanstieg um das 1,2 bis 9-Fache erhöht hat. Maarten van Aalst, Leiter des Klimazentrums des Internationalen Roten Kreuzes in Den Haag sagte im Deutschlandfunk: „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass es immer wichtiger wird, auch solche extremen und sehr seltenen Ereignisse zu berücksichtigen. Denn durch den Klimawandel werden sie künftig wahrscheinlicher.“ In diesem Kontext arbeiten auch Forschende am Umwelt-Campus z. B. im BMBF Projekt FLOREST an wissenschaftlichen Lösungen zur Beherrschung der Klimafolgen. Aber auch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort können sich im Rahmen von Bürgerwissenschaften (Citizen-Science) aktiv an den Forschungen beteiligen.
Selbst die Bäche in der Vulkaneifel beobachten
Hochwasservorhersage und frühzeitige Warnungen ermöglichen rechtzeitige Schutzmaßnahmen und werden überlebenswichtig. Das aktuelle Messnetz überwacht allerdings nur die Pegelstände der großen Flüsse. Bei lokalen Starkregenereignissen sind es aber auch die kleinen Fließgewässer in der Nähe, die über die Ufer treten und Schaden anrichten. Vor diesem Hintergrund leistet das Projekt „Bürger messen ihre Bäche selbst“ einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Resilienz jedes Einzelnen und der Gemeinschaft.
Intelligente Technik zum Internet der Dinge (IoT) startet in Jünkerath
Mit einer von der IoT2-Werkstatt am Umwelt-Campus Birkenfeld (UCB) entwickelten Technik können die Menschen selbst tätig werden und den Bach in Nähe von Haus und Hof per Messstation überwachen. Dazu wurde ein Pegelsystem am Oberlauf der Kyll in Jünkerath eingerichtet. Gemessen wird mit einem Ultraschallsensor, der oberhalb der Wasseroberfläche an der Brücke befestigt ist und seine Informationen in das Internet sendet. Mit der Citizen-Science-Box wurde ein neuartiges Gerät mit wasserdichtem Gehäuse und einer autarken Energieversorgung entwickelt, welches sich per grafischer Tools fast spielerisch programmieren lässt. Professor Dr. Klaus-Uwe Gollmer vom Umwelt-Campus Birkenfeld zu dem von ihm mitentwickelten Projekt: „Der Pegel an der Glaadter Brücke ist ein tolles Beispiel für Hilfe zur Selbsthilfe und wurde in Kooperation des DRK Vulkaneifel, der IoT2-Werkstatt am UCB und engagierten Bürgern realisiert. Hier zeigt sich, wie wichtig MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) schon in der Schule für unsere Gesellschaft ist.“
Unterstützung von BBS Gerolstein und DRK Vulkaneifel
Viele Beteiligte arbeiten Hand in Hand: Die Kommunen gaben die Erlaubnis, das System in ihrer Infrastruktur zu montieren, das DRK-Reparatur-Café wartet die Technik, der Umwelt-Campus Birkenfeld und Ehrenamtliche vor Ort werten die Daten aus und stellen diese den Anliegern zur Verfügung. In Zukunft sollen auch die Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Vulkaneifel in den Bau weiterer Geräte einbezogen werden. So lernen sie im Unterricht, wie IoT und Algorithmen funktionieren und wie MINT uns bei der Beherrschung der Klimafolgen unterstützen kann. Trockene Theorie wird dabei anfassbar konkret und vermittelt den jungen Menschen das Gefühl, die Zukunft selbst gestalten zu können. Manfred Wientgen ist als Projektverantwortlicher des DRK-Kreisverbandes Vulkaneifel überzeugt vom Nutzen der eigenverantwortlichen Messungen: „Aus vielen Gesprächen mit Flutopfern weiß ich, dass es von großer Bedeutung ist, etwas tun zu können und das Projekt Hochwassernetzwerk ermöglicht den Menschen, durch eigene Messungen aktiv zu werden. Der erste Monat hat gezeigt, dass wir neben wichtigen Daten auch das Gefühl vermitteln konnten, den Ereignissen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern selbst das Wetter und mögliche Gefahren im Blick zu behalten.“
Die Pegelmessung und viele weitere spannende Forschungsprojekte können am Tag der offenen Tür (25.06.22) am Umwelt-Campus besichtigt werden.
Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. Klaus-Uwe Gollmer | k.gollmer(at)umwelt-campus.de | 06782/17-1223
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